Wenn es um 2:07 Uhr nachts an der Wohnungstür klingelt, ist das nie ein gutes Zeichen. Heute Nacht stand unsere Nachbarin Frau O. vor der Tür, am ganzen Körper zitternd, panisch, zeitlich und örtlich desorieniert, kurz vor dem Zusammenbruch.
Frau O ist dement. Als wir vor über einem Jahr hier einzogen, war sie noch ganz gut beieinander, aber im letzten Jahr hat sie rapide und massiv abgebaut. Sie stand bisher zweimal verwirrt vor unserer Tür, weil sie ihren Haustürschlüssel vergessen und sich ausgeperrt hatte. Das erstemal habe ich den Schlüsseldienst gerufen, das zweitemal konnten wir ihre Tochter erreichen, die 45 Autominuten entfernt auf dem Land wohnt. Die ist dann gekommen und hat ihre Mutter wieder in die Wohnung gelassen.
Heute Nacht hatte Frau O den Schlüssel dabei, stand aber völlig neben sich. Sie wollte zu ihrer Tochter. Zu Fuß bei null Grad. Ich weiß nicht, wie lange sie draußen schon rumgeirrt ist, bis sie dann bei uns geklingelt hat.

Es ist vollkommen klar, dass Frau O nicht mehr in der Lage ist, ihr Leben allein zu bewältigen. Das weiß auch die Tochter (die wir dann nachts herantelefoniert haben). Ich weiß nur nicht, was wir als Nachbarn noch tun könnnen. Wären wir nicht dagewesen oder hätten wir nicht aufgemacht, wäre sie womöglich unbemerkt draußen erfroren. Die Situation kann sich jederzeit wiederholen, und wir sind nicht immer da. Frau O braucht irgendeine betreute Wohnform, auf sie muss jemand aufpassen. Plätze sind sicher nicht leicht zu bekommen, aber offenbar ist Geld in der Familie, es sollte also vielleicht eine Hürde niedriger ausfallen.

Wie bitter und traurig ist das alles.

Update 18.1.2025 abends:
Die Tochter der Nachbarin schreibt eine Dankes-Whatsapp, sie hofft, das “so etwas nicht wieder vorkommt”.
Ich fürchte, dass sie das Wesen der Demenz doch nicht verstanden hat. Die geht, soweit ich weiß, nicht einfach wieder weg.
Nach ihrem nächsten nächtlichen Ausflug liegt ihre Mutter womöglich morgens tot im Garten. (Und nein, die Behörde unternimmt nichts, solange es Angehörige gibt. Das haben wir schon abgefragt. Sozialpsychiatrischer Dienst am Arsch.)

Es bleibt bitter und traurig, und wir stehen hilflos daneben.